Montag, 31. Oktober 2016

Tempora mutantur, nos et mutamur in illis.

Komischerweise befällt es mich jetzt, wo ich am Ort meiner Geburt, Kindheit und Jugend zu Besuch bin. Heimweh. Eine Sehnsucht nach ebendieser Stadt, diesem See, dieser Landschaft, die ich in der Form noch nie verspürt habe, wenn ich fort bin von hier.
Ich habe Heimweh nach dem Ort, an dem ich mich gerade befinde. Seltsam. Heißt das nun, dass Heimweh eher bedeutet "Heimat tut weh"?
Oder ist es vielmehr so, dass das Bewusstsein um das, was man hinter sich gelassen hat, geschaffen wird durch das Lebendigwerden von Erinnerungen und Erlebnissen, die man mit den Orten seiner Kindheit verbindet?

Tatsächlich existieren viele davon nur noch in Erinnerungen, denn so, wie Menschen sich mit der Zeit verändern, verändern sich auch Orte. Und zusätzlich verwaschen durch den nostalgischen Glanz, den man im Laufe der Jahre hinzufügt, bleibt am Ende nur der bitterer Geschmack eines nicht greifbaren Verlustes, wenn die Realität viel blasser, viel langweiliger, viel kleiner ist als das Bild, das wir in unserem Herzen tragen.

Wo ist der Teich im alten Stadtpark, in dem man so toll im Schlamm waten und Wasserschnecken sammeln konnte? Wo der riesige Sandkasten, der einem als Kind wie ein Strand vorkam? Der kleine Teich im Wald, in dem es jeden Frühling von Kaulquappen nur so wimmelte? Der Aussichtspunkt auf der Klippe mit dem Kreuz oder das Geschäft mit den Spielsachen, an dessen Schaufenster man sich die Nase platt drückte?

Ist Heimweh am Ende gar nicht das Vermissen eines Ortes, sondern die Sehnsucht nach der Vergangenheit, nach der Unbeschwertheit und Neugier, mit der man als Kind die Welt erforscht hat? Eventuell nach dem warmen Nest und der Fürsorge der Familie? Nach besseren, oder vielmehr sorgloseren Zeiten?
Und ist es dann nicht auch Heimweh, wenn die Alten sagen "Früher war alles besser"? Ist das am Ende gar nicht ein Fluch auf die modernen Zeiten und das unmögliche Verhalten der heutigen Jugend, sondern vielmehr das Vermissen der eigenen Unbeschwertheit und der Fähigkeit, sich auf jeden kommenden Tag zu freuen und neu einzustellen?

So schmerzlich die Erkenntnis ist, dass es für diese Art von Heimweh also keine Abhilfe gibt, so hilfreich ist es für vieles, was in der Zukunft noch kommen mag. Denn mit dem Wissen darum, dass die alte Heimat, wie ich sie in meinem Herzen trage, tatsächlich nur noch dort existiert, kann ich mich von dem Gedanken lösen, dass diese oder jene Parameter geschaffen werden müssen, damit es mir besser geht.

Es liegt an mir. Ich muss nicht reisen, um das Heimweh zu stillen. Ich muss diesen Ort in mir wiederfinden, an dem ich glücklich und unbeschwert war, das Kind in mir, das voller Neugier und ohne Vorurteile in die Welt geschaut hat. Wenn mir das gelingt, dann muss ich nicht sagen "Früher war alles besser". Dann kann ich schlicht und einfach sagen "Jetzt".

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